50 Jahre nach Francos Tod: Experten beklagen mangelndes Geschichtsbewusstsein unter jungen Menschen
Anlässlich des 50. Todestages des Diktators Francisco Franco an diesem Donnerstag rückt die Aufarbeitung des Franquismus in Spanien erneut in den Fokus. Im Zentrum steht eine historische Untersuchung zur Zahl der von den Balearen stammenden Toten, deren Überreste in das berüchtigte Mausoleum Cuelgamuros (früher Valle de los Caídos) überführt wurden. Parallel dazu sorgt auf Mallorca die mangelhafte Behandlung dieser Ära im Schulunterricht für Besorgnis.
Eine Studie des katalanischen Historikers David Tormo, die im Auftrag der Regionalregierung der Balearen erstellt, aber bisher nicht veröffentlicht wurde, legt nahe, dass mindestens 107 Bürger mit Bezug zu den Inseln in Cuelgamuros beigesetzt sind. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch deutlich höher liegen, berichtet am Donnerstag die MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora“.
Die große Mehrheit der nordwestlich von Madrid Beigesetzten waren Soldaten der franquistischen Seite, die im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) an anderen Orten in Spanien fielen. Viele von ihnen sollen zwangsrekrutierte Männer gewesen sein, die während ihres Wehrdienstes den Tod fanden. Dokumente belegen, dass ihre Körper aus 14 spanischen Provinzen exhumiert und in die Gedenkstätte überführt wurden, die Franco mithilfe republikanischer Zwangsarbeiter errichten ließ.
Tormo will Hinweise auf 232 Familien gefunden haben, die eine Genehmigung zur Überführung ihrer Angehörigen unterschrieben haben, wobei bisher nur 107 tatsächliche Überführungen dokumentarisch bestätigt sind.
Der Historiker fand indes „keinen dokumentarischen Beweis“ für die Überführung republikanischer Opfer von den Balearen nach Cuelgamuros. Tormo führt diesen Umstand auf „dokumentarische Lücken“ zurück, die durch die Bereinigung von Archiven kurz nach Francos Tod entstanden seien.
Parallel zur stockenden Aufarbeitung beklagen Initiativen wie Memòria de Mallorca die „mangelhafte Behandlung der Franco-Diktatur in Schulen“. Der Verband kritisiert, dass der Putsch des Generals Franco in den Lehrplänen der obligatorischen Sekundarstufe kaum Beachtung finde.
„Es gibt Schüler, die nicht wissen, wer Franco ist,“ erklärt die Vorsitzende des Vereins, Maria Antònia Oliver, gegenüber der Lokalzeitung. Besorgniserregend sei zudem, dass in Umfragen junge Spanier immer häufiger ein „positives oder sehr positives Bild“ von der Diktatur zeichnen. In einem Austausch hätten deutsche Schüler mehr über die Franco-Diktatur gewusst als ihre mallorquinischen Altersgenossen, so Oliver.
Tomeu Salvà, Geschichtslehrer auf Mallorca, widerspricht dem „weit verbreiteten Mantra“, dass der Franquismus nicht gelehrt werde. Er werde sehr wohl im Unterricht behandelt. Das Problem liege vielmehr in den „vorgefassten Meinungen aus dem Elternhaus“ und Falschmeldungen in sozialen Medien, die auf einen „unterschwelligen Franquismus“ träfen.
Daten des Meinungsforschungsinstituts CIS stützen diese Beobachtung: Fast 20 Prozent der unter 25-Jährigen in Spanien beurteilen die Jahre der Diktatur als „gut oder sehr gut“. Bei den über 65-Jährigen vertreten gar 35 bis 40 Prozent diese Auffassung.
Experten sehen die Ursache zum einen in einer „fehlenden kritischen und reflektierenden Denkweise“. Auf der anderen Seite biete auch die Politik seit der Übergangsphase, der sogenannten Transición, kein „offizielles, überzeugendes Narrativ über die Verbrechen des Franquismus“.
Heute vor einem halben Jahrhundert starb der Generalísimo. Ein überzeugendes Narrativ aus der Politik und Gesellschaft über die Gräueltaten der Diktatur fehle in Spanien bis heute, beklagen Historiker. Weiterlesen

