Warum auf Mallorca Feuerwerke das ganze Jahr über geduldet sind
Im Gegensatz zu Mallorca ist Silvester in Deutschland inzwischen weniger ein Fest als ein politischer Prüfstein. Kaum ist der Weihnachtsbaum entsorgt, beginnt das alljährliche Ringen um Feinstaubwerte, Notaufnahmen und das große moralische Fragezeichen hinter der Rakete. Ein Bündnis aus 55 Organisationen ruft nach dem Ende der privaten Knallerei, versehen mit dem Hashtag #böllerciao – was ungefähr so klingt, als wolle man Silvester gleich mit verabschieden.
Und während in Alemania überlegt wird, ob man Raketen künftig nur noch mit Sicherheitsabstand, Gewissensprüfung und vorherigem Bürgerdialog zünden darf, knallt es auf der Insel – wie so oft – ganz unaufgeregt weiter. Nicht exzessiv, nicht anarchisch, sondern mit mediterraner Selbstverständlichkeit.
Traditionsreicher Betrieb
Im kleinen, unscheinbaren Lloret de Vistalegre, irgendwo zwischen Mandelbäumen und Landstraße, sitzt die Familie Jordà. Seit 1940 stellt sie hier Feuerwerkskörper her – lange bevor Feuerwerk in Mitteleuropa zum gesellschaftspolitischen Problem erklärt wurde. Was anderswo als Ausnahme gilt, ist hier Handwerkstradition.
Die Firma Pirotècnia Jordà beliefert das ganze Jahr Dorffeste, Hochzeiten, Stadtfeste und gelegentlich auch die Sehnsüchte deutscher Inselresidenten, die an Silvester nicht ganz auf das vertraute Krachen verzichten wollen. Raketen, Batterien, kleine Feuerwerke für den Hausgebrauch – alles handgemacht, vieles mit einer Präzision, die eher an Uhrmacher als an Krawall erinnert.
Knallen mit Regeln
Dabei ist das Feuerwerk auf Mallorca kein anarchischer Freifahrtschein. Ganz im Gegenteil. Wer hier knallen will, muss sich an klare Regeln halten. Das Abbrennen ist an Silvester erlaubt, außerhalb dieses Datums jedoch genehmigungspflichtig. Gemeinden müssen zustimmen, Sicherheitsabstände eingehalten, Nachbarn informiert werden. Einfach loslegen wie auf einem deutschen Parkplatz um Mitternacht? Undenkbar. Ordnung muss sein – selbst beim Knall.
Dass dennoch so viel gezündet wird, liegt auch daran, dass Feuerwerk auf der Insel kulturell anders verankert ist. Correfocs, Dorffeste, Schutzpatronfeiern – das ganze Jahr über wird gezündet, nicht nur zum Jahreswechsel. Und während in Deutschland der Diskurs immer lauter wird, bleibt es auf Mallorca erstaunlich pragmatisch: Man feiert, räumt auf und macht weiter.
Echte Handarbeit
Die Familie Jordà sorgt dafür, dass das auch technisch möglich bleibt. In ihrer Fabrik entstehen Raketen, Batterien und Effekte in echter Handarbeit. Chemie trifft Erfahrung, Design trifft Sicherheitsvorschrift. Große Shows, kleine Feuerwerke, Hochzeiten oder Dorffeste – bis zu 200 Veranstaltungen pro Jahr beliefert das Unternehmen. Und während andernorts über Verzicht gesprochen wird, tüftelt man hier an neuen Farben, Formen und Effekten.
Und so treffen auf Mallorca zwei Welten aufeinander: Während die Deutschen über Verbote, Feinstaub und Stressfaktoren debattieren, zündet die Familie Jordà in Lloret de Vistalegre Raketen am laufenden Band. Die Inselbewohner, daran gewöhnt, das ganze Jahr über zu knallen, schauen gelassen zu. Ein bisschen Lärm, ein bisschen Rauch – und schon funkelt der Nachthimmel.
Übrigens, mehr noch als an Silvester wird in Palma zu Sant Sebastià Feuerwerk veranstaltet. Der Tag des offiziellen Schutzpatrons der Stadt ist der 20. Januar. Bis dahin verbleibt Palma im Festtaumel, samt Lichterglanz in den Straßen. Auch darum dauert die Weihnachtszeit auf Mallorca gefühlt bis fast Ende Januar.
Während in Deutschland über Böllerverbote heiß diskutiert wird, hält auf der Insel eine Familie das Böllern, Knallen und Himmel-Befeuern am Leben. Weiterlesen

