Konzertkritik: Utopia mit kleinen Fehlern – Beethovens Neunte im Auditorium
Anmerkung des Autors: diese Kritik können Sie sich auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu bitte HIER!) – Mit der Neunten hat Beethoven nicht nur eine Sinfonie geschrieben, sondern eine Weltverheißung in Noten gegossen. Und zugleich eine Zumutung. Denn wer den Finalsatz hört, wird nicht gefragt, ob er an die Utopie glaubt – er wird hineingezogen, ob er will oder nicht. Schillers Ode An die Freude ist kein harmloses Gedicht, sondern ein politisches Manifest im Gewand der Poesie. „Alle Menschen werden Brüder« – das ist kein lyrischer Schmuck, sondern eine Forderung, eine Provokation. Beethoven macht daraus eine musikalische Volksversammlung, in der die Stimmen nicht diskutieren, sondern jubeln. – Gestern Abend ist Pablo Mielgo angetreten, um, zusammen mit dem Sinfonieorchester der Balearen, dem famosen Cor Studium und einem illustren Sängerensemble Beethovens Utopie im ausverkauften Auditorium zu realisieren.
Der Dirigent ist hier kein bloßer Vollstrecker, sondern der Dramaturg der Utopie. Er entscheidet, ob Beethovens Vision als Fest der Menschheit oder als Mahnung an ihre Zerbrechlichkeit erklingt. Ohne ihn bleibt die Partitur ein Traum auf Papier – mit ihm wird sie zur klingenden Zumutung, die uns zwingt, das Unmögliche zu hören. Pablo Mielgo gestaltete die ersten drei Sätze nicht nur als Vorbereitung auf das Chorfinale, sondern arbeitete ihren eigenständigen Charakter heraus, von der „hohlen Quint« des Anfangs, über das Scherzo mit seinem kontrastierenden kantablen Cello-Mittelteil und den „Gesang der liebenden Seele, wie Furtwängler den dritten Satz genannt hat, bis zum krönenden Finale, bisweilen vielleicht etwas zu detailverliebt. Der Schlusssatz begann dann mit einem Aufschrei, einem orchestralen „Es reicht!« – die vorherigen Sätze wurdendann doch noch verworfen, als seien sie nur Vorstufen. Dann erhob sich das schlichte Freude-Thema, fast banal, aber gerade darin radikal: Utopie muss einfach sein, sonst bleibt sie elitär. Beethoven baut daraus eine Kathedrale aus Klang, in der Chor und Orchester verschmelzen.
Das erste Wort im Vokalteil hat der Bariton mit seinem berühmten „O Freunde, nicht diese Töne!« Sebastià Serra rückte seinen Part in die Nähe der großen Oper. Indem er die Freunde zu Fro-hoinden machte und das Koloraturhafte, für mich wenigstens, etwas überbetonte. (Es geht auch schlichter, wie Walter Berry in der legendären Karajan-Aufnahme von 1963, oder René Pape in Barenboims Berliner Einspielung bewiesen haben!) Was sich dann Joan Laínez (Tenor) an falscher Deklamation, „Brieder« statt Brüder, an den „Bristen der Netür« leistete, mag in einer Lortzing-Partie als charmante Note durchgehen; in Schillers Text, verzeihen Sie einem deutschen Kritikerseine Beckmesserei,ist es aber unverzeihlich! Anders sah es bei den beiden Solistinnen, Marta Bauzà (Sopran) und Bergoña Gómez (Mezzosopran) aus.: mit jugendlichem, hellem Timbre und erfreulich zurückhaltendem Vibrato sangen sie sich in die Herzen des Publikums. Star der Aufführung war der fabelhaft akzentuierende Chor. Pablo Mielgo hatte sich genügend Reserven aufgespart, um in der Coda noch einmal richtig Gas geben zu können. Da fegte der Götterfunken glitzernd und vehement durch den Saal. Man konnte sich dem Freuden-Strudel nicht entziehen und verließ das Konzert als glücklicher Mensch.
Anmerkung des Autors: diese Kritik können Sie sich auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu bitte HIER!) – Mit der Neunten hat Beethoven nicht nur eine Sinfonie geschrieben, sondern eine Weltverheißung in Noten gegossen. Und zugleich eine Zumutung. Denn wer den Finalsatz hört, wird nicht gefragt, ob er an die Utopie glaubt – er wird hineingezogen, ob er will oder nicht. Schillers Ode An die Freude ist kein harmloses Gedicht, sondern ein politisches Manifest im Gewand der Poesie. „Alle Menschen werden Brüder« – das ist kein lyrischer Schmuck, sondern eine Forderung, eine Provokation. Beethoven macht daraus eine musikalische Volksversammlung, in der die Stimmen nicht diskutieren, sondern jubeln. – Gestern Abend ist Pablo Mielgo angetreten, um, zusammen mit dem Sinfonieorchester der Balearen, dem famosen Cor Studium und einem illustren Sängerensemble Beethovens Utopie im ausverkauften Auditorium zu realisieren. Weiterlesen

